Sonntag, Februar 27, 2005

 

Münchner Merkur Artikel zur Initiative "Bel Air"

Mit freundlicher Genehmigung: der Artikel vom Münchner Merkur, 26/27 Februar 2005, S. 3
[Foto: Ausgeraucht: In Irland muss die Zigarette seit einem Jahr vor der Pub-Tür genossen werden. Deutschland zögert noch]

"Gelbe Karte für den blauen Dunst. Rauchverbot in Deutschland rückt näher"


Mike Schier

München

Kann man sich einen Kubaner ohne Zigarre vorstellen? Eine italienische Espressobar, in der nicht geraucht werden darf? Einen irischen Bauern, der im Pub sein Guinness trinkt, aber für die Zigarette vor die Tür geht? Man kann. Nein: Man muss sogar. Immer mehr Länder erlassen Gesetze, die das Rauchen an öffentlichen Plätzen verbieten. Auch in Deutschland mehren sich die Stimmen, die eine gesetzliche Regelung fordern. Drei von fünf Deutschen wollen laut einer polis-Umfrage strengere Auflagen. Doch die Politik setzt bislang nur auf freiwillige Lösungen. Bayern hat als erstes Bundesland mit dem Hotel- und Gaststättenverband eine Vereinbarung getroffen, nach der bis Ende 2006 die Hälfte aller 40 000 Mitgliedsbetriebe über rauchfreie Zonen verfügen sollen. Rot-Grün will ein ähnliches Abkommen im März auf Bundesebene unterzeichnen. Beobachter sind jedoch skeptisch, ob eine solche, auf Freiwilligkeit basierende Aktion Erfolg bringt. Professor Friedrich Wiebel, Vorsitzender des ärztlichen Arbeitskreises Rauchen und Gesundheit, berichtet von einer Umfrage unter Münchner Gastronomen: Von 1033 befragten Betrieben hätten nur 37 einen Nichtraucherbereich ausgewiesen. Wiebel unterstützt deshalb die Aktion 'BEL AIR - GUTE LUFT in MÜNCHNER LOKALEN'.


Deren Initiatorin Inci Sieber vom Verein 'nahrungs-kette' sagt: 'Es gibt für einen Nichtraucher im Moment kaum Möglichkeiten, ein Restaurant zu besuchen, ohne Zugeständnisse an sein Wohlbefinden zu machen.' Die Aktion ' BEL AIR' will deshalb 'mutige Pioniere' unter den Restaurantbesitzern unterstützen und hat eigens einen Preis ausgelobt. Unterstützt wird sie dabei auch von den Bayerischen Kassenärzten. Deren Chef Axel Munte nennt es eine 'Katastrophe', dass es in Deutschland keinen gesetzlichen Nichtraucherschutz gebe. 'Die Erkrankungsrate durch Rauchen ist gigantisch', sagt der Arzt. 'Alle Krebsarten kommen bei Rauchern in einem viel größeren Ausmaß´vor.' Dies verursache 'wahnsinnige Schäden' für Sozialkassen und Wirtschaft. Munte lobt 'Bel Air', nennt die Aktion aber 'einen Tropfen auf den brennenden Stein'.


Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland tatsächlich hinter vergleichbaren Ländern hinterher (siehe Kasten). Möglicherweise muss Berlin bald auf Druck aus Brüssel aktiv werden: Die EU-Kommission hegt Pläne, ein Verbot europaweit durchzusetzen, und wird darin auch vom Europaparlament unterstützt. Offen ist nur die juristische Frage, ob Brüssel seinen Mitgliedsstaaten hier Vorschriften machen darf.

Angestoßen wurde das Rauchverbot auf europäischer Ebene von Ex-Kommissar David Byrne - einem Iren. Dort fällt die erste Bilanz des Verbots äußerst positiv aus: Die Umsätze der Bars blieben relativ stabil, dafür entschied sich ein Fünftel der Raucher, die Abende ganz ohne Zigarette zu verbringen. Gesundheitsminister Michael Martin vermeldete zudem einen anderen Erfolg: die Revolution bei der Partnersuche. Durch die Zigarette vor der Tür habe sich 'eine völlig neue Form des Kennenlernens ergeben', berichtete Martin. Sobald eine hübsche Frau nach draußen gehe, würden die Männer einfach folgen."


Eine Übersicht von Restaurants mit Nichtraucherzonen findet sich unter
www.nichtraucher.org

Direkt unter diesem Artikel:



"In Kuba bleibt die Havanna aus"


Mehr als 90 Länder in der ganzen Welt haben inzwischen Nichtrauchergesetze. Ein kleiner Überblick:
Großbritannien: In der britischen Regierung findet derzeit ein Umdenken statt: Setzte man bislang auf Freiwilligkeit, erwägt man nun ein Komplettverbot an allen Arbeitsplätzen und Restaurants. Beobachter rechnen mit einer Einführung in den nächsten Jahren, in Schottland geht es im Frühjahr 2006 los.
Irland: Seit März 2004 ist das Rauchen in Pubs, Restaurants und am Arbeitsplatz in geschlossenen Räumen verboten. Wer dennoch mit einer Zigarette erwischt wird, muss bis zu 3000 Euro zahlen.
Italien: Seit dem 10. Januar dieses Jahres ist das Rauchen in allen geschlossenen öffentlichen Gebäuden verboten, Bars und Restaurants eingeschlossen. Restaurantbesitzer, die das Verbot nicht durchsetzen, müssen mit Strafen bis zu 2000 Euro rechnen, die Sünder selbst zahlen 275 Euro. Ersten Untersuchungen zufolge ging der Tabakverkauf um 23% zurück.
Kuba: Einst war Fidel Castro selbst begeisterter Zigarrenraucher. 1986 gab er das Laster auf. Seit dem 7. Februar hat der "Maximo Lider" auch dem gemeinen Kubaner das Rauchen in Zügen, Bussen, Läden und anderen öffentlichen Gebäuden untersagt.
Norwegen: Norwegen führt das Verbot zum 1. Juni 2005 ein.
USA: In den USA gibt es unterschiedliche Regelungen. Kalifornien hat die strengsten Auflagen der Welt: Als erste Großstadt hat San Francisco das Rauchen in Parkanlagen und auf öffentlichen Plätzen verboten. In New York gilt das Verbot in Bars und Restaurants seit März 2003. mik




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